22. Juni 2013

Anwesenheitspflicht im Büro

Betriebliche Arbeitszeitregelungen sind auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Arbeitsvertrag rechtsgültig


Eigentlich müsste alles ganz klar sein: Das Arbeitszeitgesetz gilt für alle Arbeitnehmer und Auszubildenden. Doch kein Gesetz ohne Besonderheiten. Ausgenommen sind Selbstständige und leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsrechts sowie Chefärzte, Leiter von öffentlichen Dienststellen, die in Personalfragen selbstständig entscheiden dürfen. Ausgenommen sind aber auch Beschäftigte, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen leben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen, sowie Personen, die im Bereich der Kirchen und der Religionsgemeinschaften tätig sind.

Die Vereinbarung über die wöchentliche Arbeitszeit ist eine wesentliche Vertragsbestimmung. Denn der Beschäftigte verpflichtet sich, im Rahmen seiner Arbeitszeit tätig zu sein, und erhält dafür das vertraglich vereinbarte Gehalt. Vertraglich muss auch vereinbart werden, ob ein Beschäftigter in Vollzeit oder in Teilzeit tätig ist. Nach den Vorschriften des Nachweisgesetzes besteht hier eine schriftliche Dokumentationspflicht. Wird diese Dokumentationspflicht verletzt, indem keine schriftliche vertragliche Vereinbarung getroffen wird, und fehlt ein anwendbarer Tarifvertrag, so wird im Streitfalle vom Arbeitsgericht die tatsächlich geleistete Arbeitszeit in der Vergangenheit zugrunde gelegt.

Die Verpflichtung, die Arbeitszeit einzuhalten, beschäftigte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 15. Mai 2013, Aktenzeichen 10 AZR 325/12) zuletzt im Zusammenhang mit dem Fall einer außertariflichen Mitarbeiterin. Ein Unternehmen beschäftigte diese außertarifliche Mitarbeiterin mit einem Jahresgehalt von rund 95 000 Euro. Im Arbeitsvertrag fand sich keine Regelung zum Umfang der zu leistenden Wochenarbeitszeit. Allerdings musste die Mitarbeiterin auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig sein. Sie hatte damit die Pflicht zur Ableistung von Überstunden übernommen. Zusätzlich bestand im Unternehmen eine Betriebsvereinbarung zur Gleitzeit, die eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorsah. Dies genügt, um für die Mitarbeiter auch ohne ausdrückliche Regelung einer wöchentlichen Arbeitszeit eine implizierte Vereinbarung über eine entsprechende übliche Wochenarbeitszeit festzustellen.

Die Mitarbeiterin hatte fast 700 Minusstunden angesammelt. Der Arbeitgeber forderte sie auf, die tägliche Arbeitszeit von mindestens 7,6 Stunden oder die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Sie kam dem nicht nach. Der Arbeitgeber kürzte das Gehalt um insgesamt etwa 7 000 Euro, da die Mitarbeiterin ihre Arbeitspflicht nicht vollständig erfüllte und zum Beispiel im Dezember nur 19,8 Stunden und im Januar nur 5,5 Stunden im Betrieb gearbeitet hatte. Die außertarifliche Mitarbeiterin machte mit ihrer Klage geltend, sie sei vertraglich nicht verpflichtet gewesen, 38 Stunden pro Woche zu arbeiten, sie müsse überhaupt nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein. Ihre Arbeitsleistung sei nicht in Zeiteinheiten zu messen. Sie erfülle ihre Arbeitspflicht ohne Rücksicht auf den zeitlichen Aspekt schon dann, wenn sie die ihr übertragenen Aufgaben erledige. Deshalb müsse ihr das Unternehmen auch das volle Gehalt unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden zahlen. Ihre Klage vor dem BAG blieb erfolglos. Der Arbeitsvertrag der Parteien setzte als Maß der zu leistenden Arbeit die Ableistung der betriebsüblichen Arbeitszeit voraus. Im Urteil wurde außerdem festgestellt, dass die Mitarbeiterin sich nicht allein deshalb auf eine kürzere Wochenarbeitszeit berufen darf, weil die Arbeitgeberin es über längere Zeit versäumt habe, die Wochenarbeitszeit durchzusetzen.

Um solche Streitfälle zu vermeiden, ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, in jedem Arbeitsvertrag – unabhängig vom Status als tariflicher oder außertariflicher Mitarbeiter – die Verpflichtung zur Ableistung einer maximalen Arbeitszeit zu regeln.

Prof. Asoc. Dr. jur. Jutta Glock
www.agpkanzlei.de

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