Kündigungsschutz dank Leiharbeitern
Gibt es neue Rätsel bei arbeitsrechtlichen Kündigungen zu lösen?
Das Bundesarbeitsgericht hat zum Kündigungsschutz in kleinen Betrieben kürzlich entschieden, dass es für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes auch auf die im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer ankommen kann (Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12). Zukünftig werden Arbeitgeber, die Leiharbeitnehmer beschäftigen, daher sehr viel genauer prüfen müssen, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, bevor sie eine Kündigung aussprechen. Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil möglicherweise eine Verbesserung ihres Schutzes vor ordentlichen Kündigungen.
Wovor schützt das Kündigungsschutzgesetz?
Das Kündigungsschutzgesetz schreibt vor, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nur dann ordentlich kündigen darf, wenn er hierfür einen sachlichen Grund hat. Das Kündigungsschutzgesetz kennt drei Kündigungsgründe. Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer demnach nur verhaltensbedingt, personenbedingt oder betriebsbedingt kündigen. Nur wenn einer dieser Gründe tatsächlich vorliegt, ist eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt und damit wirksam.
Wen schützt das Kündigungsschutzgesetz?
Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.2003 eingestellt wurden, haben Kündigungsschutz, wenn sie in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate tätig waren und ihr Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Auszubildende werden dabei nicht mitgezählt. Bei der Berechnung, ob genügend Arbeitnehmer beschäftigt sind, muss auch beachtet werden, ob Arbeitnehmer nur teilzeitbeschäftigt sind. Diese werden entsprechend ihrer wöchentlichen Arbeitszeit nur anteilig gezählt, also eine Halbtagskraft wird bei der Berechnung mit 0,5 berücksichtigt.
Was gilt für Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem 01.01.2004 begonnen haben? Arbeitnehmer, die vor dem 31.12.2003 angestellt waren, genießen Kündigungsschutz bereits dann, wenn schon damals mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt waren und auch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der einzelnen Kündigung mehr als 5 Alt-Arbeitnehmer beschäftigt sind (d.h. mehr als 5 Arbeitnehmer waren vor dem 31.12.2003 schon beschäftigt und sind immer noch im Betrieb tätig).
Worüber hat das Bundesarbeitsgericht nun entschieden?
Im Streitfall ging es um einen Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber ordentlich gekündigt wurde. Die Arbeitgeberin beschäftigte einschließlich des gekündigten Arbeitnehmers und nun Klägers nur zehn eigene Arbeitnehmer, darüber hinaus aber auch Leiharbeitnehmer. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte, dass bei der Anzahl der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen seien, sodass das Kündigungsschutzgesetz auf ihn anzuwenden sei.
Der Kläger verlor in den ersten beiden Instanzen. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte er Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Arbeitgeberin mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz ist anzuwenden.
Grund für die gesetzlich geregelte Herausnahme der Kleinbetriebe (mit nicht mehr als 10 Arbeitnehmern) aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist das kleine Team von Arbeitnehmern, eine möglicherweise schwache Finanzausstattung des Betriebs und die finanzielle Belastung des Inhabers bei einem Kündigungsschutzprozess. Dennoch darf nach Ansicht des Gerichts nicht danach unterschieden werden, ob die Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder entliehener Arbeitnehmer beruht. Das Bundesarbeitsgericht schränkte aber ein, dass Leiharbeitnehmer nur dann zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem "in der Regel" vorhandenen Personalbedarf beruht. Ob hier der Fall von einem in der Regel bestehenden Personalbedarf besteht muss nun noch richterlich geklärt werden.
Prof. Asoc. Dr. jur. Jutta Glock
www.agpkanzlei.de
Erschienen: Berliner Zeitung - Nummer 48 - 23./24. Februar 2013